- Rechtslage 2015 -
Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen, Bauabzugsteuer und reverse-charge-Verfahren sind Maßnahmen, die ursprünglich zur Bekämpfung der massenhaften Mehrwertsteuerhinterziehung in der EU gedacht waren. Für die redlichen Unternehmer sind sie dagegen mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden und auch mit Steuerrisiken: hat man nämlich fälschlicherweise angenommen, dass der Geschäftspartner die Steuer auf eine Bauleistung schuldet, bleibt man in der Zahlungsverpflichtung, wenn alles schief läuft. Dabei sind drei Problemkreise zu unterscheiden:
Verwechslungsgefahr: Bauabzugsteuer und Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen sind nicht dasselbe
Wenn von Bauabzugsteuer die Rede ist, dann geht es hier um eine Bestimmung aus dem Einkommensteuergesetz (EStG). Dort ist in § 48 EStG geregelt, dass bei bestimmten Bauleistungen in der Unternehmerkette der Leistungsempfänger 15 % Bauabzugsteuer einzubehalten und an das Finanzamt des leistenden Unternehmers für Rechnung des Leistenden abzuführen hat. Diesem ganzen bürokratischen Aufwand kann man entgehen, wenn der Leistende eine Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG vorweist und der Empfänger diese zu seinen Unterlagen nimmt.
Davon zu unterscheiden ist die Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen gemäß § 13 b UStG, also aus dem Umsatzsteuergesetz. Die dort gewählten Begriffe bzw. Beschreibungen für die Bauleistungen klingen ähnlich. Trotzdem gab es im Detail immer wieder Zweifelsfälle und Unsicherheiten speziell was die Behandlung von Betriebsvorrichtungen betrifft (wie z.B. Kälteanlagen und Photovoltaikanlagen). Hier scheint jetzt mit einem aktuellen Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 28. Juli 2015 etwas mehr Klarheit einzuziehen.
Bauleistung: Unterschiedliche Begriffe für Einkommensteuer, Bewertungsgesetz und Umsatzsteuer
Die Diskussion entzündet sich speziell am Begriff der Bauleistung und des Grundstücks bzw. Bauwerks, an dem die Bauleistung vollbracht wird. Hier gibt es drei verschiedene Ansätze:
Umsatzsteuer: unionsrechtlicher Bauleistungsbegriff allein maßgeblich
Zumindest für die Umsatzsteuer zeichnet sich damit jetzt eine praktikable und tragfähige Lösung ab. Wie das Bundesfinanzministerium im Schreiben vom 28. Juli 2015 hinsichtlich der Abgrenzung des Begriffs des Bauwerks und der Betriebsvorrichtung für Zwecke der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen ausführt, ist der Begriff Bauleistung „unionsrechtlich einheitlich und nicht nach nationalem Bewertungsrecht auszulegen“. Der Begriff der Bauleistung im Sinne von Artikel 199 Abs. 1 a MwStSystRL beschränkt sich dabei nicht nur auf Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück, sondern er ist weiter auszulegen. Im Ergebnis führt das zu folgenden Überlegungen:
Vorlage einer Bescheinigung USt 1 TG
Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft tritt grundsätzlich bei Umsätzen zwischen Bauleistern immer ein. Die Eigenschaft als Bauleister wird nachgewiesen durch die spezielle Bescheinigung für Umsatzsteuerzwecke USt 1 TG.
Bei Verwendung dieser Bescheinigung besteht grundsätzlich Vertrauensschutz (vergl. Abschnitt 13 b.3 Abs. 3 UStAE). Die Freistellungsbescheinigung gem. § 48 b EStG für die Bauabzugsteuer gilt nur noch für ertragsteuerliche Zwecke und hat für die Umsatzsteuer keine Bedeutung mehr (vergl. Information des Bayerischen Landesamtes für Steuern zu den Änderungen bei der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen ab 01.10.2014, www.finanzamt.bayern.de).
Die Bescheinigung wirkt aber nicht konstitutiv. Das heißt ein Bauleister ist und bleibt ein Bauleister, wenn er die Voraussetzungen erfüllt, dass er mindestens 10 % seines Weltumsatzes als Bauleistungen erbringt. Dann tritt die Umkehr der Steuerschuldnerschaft unabhängig von der Benutzung der Bescheinigung ein. Erbringt andererseits der leistende Unternehmer eine Leistung, die keine Bauleistung ist und berechnet er sie dennoch als Bauleistung mit Umkehr der Steuerschuld, dann bleibt er trotzdem Steuerschuldner der Umsatzsteuer.
Checkliste Prüfpunkte für die Praxis
Gelöste und ungelöste Zweifelsfälle
Die begrifflichen Unterschiede und Feinheiten haben in der Praxis immer wieder zu Abgrenzungsproblemen geführt. Typische Problemfälle waren Krangestellung mit oder ohne Kranführer, Gerüstbau, Errichtung von Photovoltaikanlagen und auch Anlagenbauer insbesondere Klima-, Kälte- und Belüftungsanlagenbauer. Speziell die letzten beiden Gruppen wurden dadurch problematisch, dass der Bundesfinanzhof zuletzt mit Urteil vom 28.08.2014 (Az. V R 7/14) entschieden hatte, dass Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke im Sinne der Bauleistungen sind und die Anwendung der Baubetriebsverordnung nicht gegeben ist. Deshalb könne für entsprechende Betriebsvorrichtungen die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gemäß § 13 b Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 UStG nicht greifen.
Dem ist jetzt der Bundesfinanzminister mit dem Nichtanwendungserlass vom 28.07.2015 entgegengetreten und hat unter Hinweis auf den allein maßgeblichen unionsrechtlichen Bauleistungsbegriff z.B. speziell für die Klima-, Kälte- und Anlagenbauer dargelegt, dass hier bei Bau- und Wartungsarbeiten an fest installierten Anlagen im Regelfall Bauleistungen vorliegen unabhängig davon, ob die Anlagen als Bauwerk oder Betriebsvorrichtung gelten.
Damit dürfte auch die Diskussion hinsichtlich der Photovoltaikanlagen für Zwecke der Umsatzsteuer beseitigt sein: wer so eine Anlage „baut“ (d.h. also nicht nur die Teile liefert), der ist Bauleister. Dabei kommt es dann nicht darauf an, ob die Anlage fest mit dem Gebäude oder Bauwerk verbunden ist (also z.B. dachintegrierte Anlage) oder nur auf dem Dach aufgesetzt ist. Das entspricht der Auslegung in Abschnitt 13 b.2 Abs. 5 Nr. 11 UStAE in der Fassung des BMF-Schreibens vom 09.12.2013 (BStBl I 2013, Seite 1.620).
Autor: Dr. Dorothee Böttges-Papendorf, 03. November 2015